Aufgrund seiner antiskorbutischen Wirkung wird Ascorbinsäure auch als»Antiskorbutfaktor« bezeichnet (scorbutus; lat. = Skorbut) [16].
Vitamin C ist der Gattungsname für L-Threo-hex-2-enono-1,4-lacton und deren Derivate (Abkömmlinge), die qualitativ die biologische Wirkung von L-(+)-Ascorbinsäure aufweisen. Die Stereoisomere D-Ascorbinsäure, L-Isoascorbinsäure und D-Isoascorbinsäure (Erythrobinsäure) sind dagegen biologisch inaktiv [2, 10, 16, 17].
L-Ascorbinsäure besitzt ein starkes Redoxpotential (Reduktions-/Oxidationspotential) und ist in wässriger Lösung in Abhängigkeit vom Sauerstoffpartialdruck (Anteil des Sauerstoffs am Gesamtdruck innerhalb eines Gasgemisches), pH-Wert, Temperatur und Vorkommen von Schwermetallspuren leicht autoxidabel. Während das Vitamin in sauren wässrigen Lösungen (pH < 6) stabil bleibt, wird es in alkalischen Lösungen rasch oxidiert beziehungsweise zersetzt. Spuren von Schwermetallen, vor allem Eisen- und Kupferionen, beschleunigen katalytisch den zerstörenden Oxidationsprozess. Säuren, wie Citronensäure, Mono- und Polysaccharide, Peptide und Flavonoide können hingegen die oxidative Zersetzung der Ascorbinsäure erheblich reduzieren und wirken somit als Schutzstoffe [16, 17].
Beim Oxidationsprozess wird L-Ascorbinsäure über das reaktionsfähige Zwischenprodukt Semidehydroascorbinsäure – Abgabe eines Elektrons – reversibel (umkehrbar) zu Dehydroascorbinsäure (DHA) – Abgabe zweier Elektronen – umgewandelt. DHA ist eine sehr reaktionsfähige Verbindung, die mit Aminoverbindungen in (Trocken-)Früchten oder Fruchtsäften Kondensationsreaktionen eingeht, was sich in einer unerwünschten Bräunung der Produkte äußert [11]. DHA kann durch Öffnung des Lactonrings mittels Hydratation (Anlagerung von Wassermolekülen) irreversibel (unumkehrbar) zur vitaminunwirksamen 2,3-Diketogulonsäure – Ausscheidungsmetabolit – beziehungsweise durch Reduktion mittels Glutathion (GSH; bestehend aus den Aminosäuren Glutaminsäure, Cystein und Glycin) reversibel zu Ascorbinsäure überführt werden [2, 16, 17]. Schließlich stellt L-Ascorbinsäure mit Semidehydro- und Dehydroascorbinsäure ein reversibles Redoxsystem dar, woraus sich dieantioxidative Wirkung des Vitamins C ergibt [2, 3, 10, 13].
Synthese
L-Ascorbinsäure ist ein 2,3-Endiol-L-Gulonsäure-gamma-Lacton und wird von höheren Pflanzen und den meisten Tieren über den Glucuronatweg aus D-Glucosesynthetisiert [2, 11, 14, 16, 17].
Der Glucuronatweg beinhaltet folgende Syntheseschritte:
- D-Glucose → D-Glucuronsäure → L-Gluconsäure → L-Gulonolacton → 3-Oxo-L-gulonolacton → L-(+)-Ascorbinsäure [2, 10, 11, 16, 17]
Die Oxidation von L-Gulonolacton zu 3-Oxo-L-gulonolacton erfolgt durch das Enzym L-Gulonolacton-Oxidase. Menschen, Menschenaffen sowie Meerschweinchen und einige Insektenarten, darunter auch Heuschrecken, sind aufgrund einer Genmutationnicht in der Lage, die L-Gulonolacton-Oxidase endogen (im Körper selbst) zu synthetisieren, weshalb sie auf eine exogene Vitamin C-Zufuhr über die Nahrungangewiesen sind [11, 14, 15].
Während die Biosynthese von L-Ascorbinsäure bei Säugetieren in der Leber abläuft, wird Vitamin C bei Vögeln in der Niere synthetisiert [1].
Resorption
Oral aufgenommene Ascorbinsäure wird bereits durch die Mundschleimhautgeringfügig resorbiert (aufgenommen), vermutlich durch einen Carrier-vermittelten, nicht aktiven Prozess, wobei der Carrier (membranständiges Transportprotein) eine hohe Transportkapazität aufweist [2, 3]. Hauptresorptionsorte stellen jedoch das Duodenum (Zwölffingerdarm) und proximale Jejunum (Leerdarm) dar [11, 16, 17].
Der Mechanismus der duodenalen beziehungsweise jejunalen Vitamin C-Resorption istartspezifisch und dosisabhängig. Bei Ratten und Hamstern erfolgt die intestinale Aufnahme von L-Ascorbinsäure mittels einfacher Diffusion. Menschen und Meerschweinchen resorbieren niedrige Dosen L-Ascorbinsäure stereoselektiv durch einaktives Natrium-Kalium-ATPase (Na+/K+-ATPase)-getriebenes Transportsystem[11, 16]. Bisher konnten zwei Transportproteine – SCVT1 und SCVT2 – identifiert werden, die L-Ascorbinsäure nach einer Sättigungskinetik in die Mukosazellen (Schleimhautzellen) des oberen Dünndarms überführen [10, 14]. Hohe Dosen an L-Ascorbinsäure werden zusätzlich passiv mittels Diffusion absorbiert, da erhöhte Vitamin C-Konzentrationen die Aktivität der Na+/K+-ATPase reduzieren [10, 11, 16].
Im Gegensatz zu L-Ascorbinsäure passiert die oxidierte Form DHA die Enterozytenmembran (Membran der Darmepithelzellen) ausschließlich durch erleichterte Diffusion [1, 16].
Mit steigender verabreichter Vitamin C-Dosis sinkt die Resorptionsrate, einerseits aufgrund der Downregulation (Herunterregulation) der transmembranen Vitamin C-Transportproteine in den Enterozyten (Epithelzellen) des oberen Dünndarms bei hohem Vitamin C-Gehalt im Darmlumen und andererseits aufgrund der Ineffektivität des passiven Resorptionsweges gegenüber dem aktiven Transportmechanismus [14, 16]. So werden im Rahmen der üblichen Nahrungsaufnahme beziehungsweise oralen Dosis bis 180 mg/Tag zwischen 80-90 %, bei einer Dosis von 1 g (1.000 mg)/Tag etwa 65-75 %, bei 3 g (3.000 mg)/Tag etwa 40 % und bei 12 g (12.000 mg)/Tag nur noch circa 16 % des Vitamins C resorbiert [5, 12].
Nicht resorbiertes Vitamin C wird von der Dickdarmflora hauptsächlich zu Kohlendioxid (CO2) und organischen Säuren abgebaut. Aus diesem Grund kann die Zufuhr hoher Vitamin C-Dosen gastrointestinale (Magen-Darm-) Beschwerden, wie Diarrhoe (Durchfall) und Abdominalschmerzen (Bauchschmerzen), zur Folge haben [16].
Transport und Verteilung im Körper
Resorbiertes und im Blutplasma erscheinendes Vitamins C – 0,8-1,4 mg/dl – ist zu 24 % an Protein gebunden und verteilt sich im gesamten Organismus, allerdings mit unterschiedlicher Affinität (Bindungsstärke) zu den Geweben.
Besonders reich an Vitamin C beim Menschen in absteigender Konzentration sind:
- Hypophyse (Hirnhangdrüse)
- Nebenniere
- Augenlinse
- Leukozyten, vor allem Lymphozyten (weiße Blutkörperchen)
- Gehirn
- Leber
- Pankreas (Bauchspeicheldrüse)
- Milz
- Niere
- Myokard (Herzmuskel)
- Lunge
- Skelettmuskel
- Testes (Hoden)
- Schilddrüse [11, 16]
In den Leukozyten beziehungsweise Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) befindet sich Vitamin C vorrangig im Cytosol [16].
Der Mensch verfügt über keine speziellen Speicher für Ascorbinsäure. Jede übermäßige Zufuhr wird nicht resorbiert beziehungsweise fäkal (über den Stuhl) und/oder renal (über die Niere) eliminiert. Der Ascorbinsäurepool des Menschen beträgt bei voller Sättigung etwa 1,5 bis maximal 3 g. Ein Absinken des Gesamtkörperpools auf Werte unterhalb von 300 mg – Vitamin C-Plasmakonzentration ≤ 0,2 mg/dl – führt zu Mangelerscheinungen – Skorbut gilt als klassische klinische Vitamin C-Mangelsymptomatik [1]. Der tägliche Gesamt-Turnover (Umsatz) liegt bei circa 1 mg/kg Körpergewicht, hängt von Poolgröße und täglicher Aufnahme ab und wird durch Stress, Rauchen und chronische Erkrankungen beeinflusst. Die biologische Halbwertszeit von Vitamin C variiert aufgrund der homöostatischen Regulation zwischen 10-30 Tagen, während die pharmakokinetische Halbwertszeit im Gegensatz dazu nur durchschnittlich 2,9 Stunden beträgt [1, 2, 10, 11, 16].
Ausscheidung
Der Abbau von L-Ascorbinsäure in Leber und Niere erfolgt oxidativ überDehydroascorbinsäure und 2,3-Diketogulonsäure zu Oxalsäure [11].
Bei einer physiologischen Vitamin C-Zufuhr – Plasmakonzentration 1,2-1,8 mg/dl; Gesamtkörperpool ~ 1,5 g – werden Ascorbinsäure (10-20 %) und deren wichtigste Metabolite (Zwischenprodukte) DHA (ca. 20 %), 2,3-Diketogulonsäure (ca. 20 %) und Oxalsäure (ca. 40 %) über die Nieren ausgeschieden, da die Vitamin C-Plasmakonzentration die Rückresorptionskapazität der Niere – Nierenschwelle für Vitamin C > 1 mg/dl – wesentlich überschreitet [1, 3, 10, 16]. Daneben sind noch eine Reihe weiterer Metabolite beschrieben worden, wie L-Threonsäure, L-Xylose und Ascorbinsäure-2-sulfat, die überwiegend renal eliminiert werden [1, 4, 6, 16].
Die renale Elimination von Vitamin C ist weniger ein Maß für die Resorption als vielmehr ein Anhaltspunkt für die gesamte Gewebssättigung [16].
Etwa 35-50 % der täglichen Oxalsäuremenge im Harn (ca. 30-40 mg) stammen beim gesunden Erwachsenen, der eine normale Ernährungsweise aufweist, aus Ascorbinsäure [11]. Dabei scheint die Vitamin C-induzierte Ausscheidung von Oxalsäure in der gesunden Bevölkerung keine Rolle bei der Bildung von Calciumoxalatsteinen zu spielen. Nach den prospektiven Kohortenstudien der Harvard School of Public Health – Physician Health Study (PHS) und Nurses´ Health Study (NHS) – mit 45.251 Männern und 85.557 Frauen ohne Vorgeschichte mit Nierensteinleiden gehen selbst hohe Vitamin C-Dosen (≥ 1,5 g Vitamin C/Tag) mit keinem erhöhten Risiko für eine Nephrolithiasis (Nierensteine) einher [7, 8]. Gerster (1997), der eine Übersicht über mehrere klinische Interventions- und prospektive Studien einschließlich der NHS/PHS-Studien lieferte, kommt zur gleichen Schlussfolgerung [9]. Patienten mit rezidivierender Nephrolithiasis (Nierensteine), eingeschränkter Nierenfunktion oder einem Defekt im Ascorbinsäure- beziehungsweise Oxalatmetabolismus sollten jedoch ihre Vitamin C-Zufuhr auf 50-100 mg pro Tag beschränken [9, 16].
Unterhalb einer Plasmakonzentration von 1,2 mg/dl wird Ascorbinsäure durch einen aktiven, natriumabhängigen Prozess mittels eines Carriers (membranständigen Transportproteins) im proximalen Tubulus (Nierenkanälchen) rückresorbiert. Mit sinkendem Vitamin C-Gehalt im Blutplasma steigt die tubuläre Rückresorptionsrate [1, 3, 4, 10, 16, 17].
Unter normalen Bedingungen werden etwa 3 % des oral aufgenommenen Vitamin C unverändert und/oder in Form von Metaboliten mit dem Stuhl ausgeschieden. Die fäkale Elimination gewinnt bei hohen Vitamin C-Dosen zunehmend an Bedeutung, so dass bei einer täglichen Zufuhr von > 3 g Vitamin C nichtmetabolisierte Ascorbinsäure größtenteils fäkal (über den Stuhl) und nur zu einem geringen Teil durch glomeruläre Filtration renal (über die Niere) ausgeschieden wird [1, 4, 16, 17].
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