Vitamin D
Definition, Synthese, Resorption, Transport und Verteilung

Vitamin D stellt ein Oberbegriff für Seco-Steroide (B-Ring im Steroid ist geöffnet) mit biologisch aktiver Wirkung dar.

Medizinisch bedeutsam sind:

  • Ergosterol (Provitamin) → Vitamin D2 (Ergocalciferol) – in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommend
  • 7-Dehydrocholesterol (Provitamin) → Vitamin D3 (Cholecalciferol) – in tierischen Lebensmitteln vorkommend
  • Calcidiol (25-Hydroxycholecalciferol, 25-OH-D3) – endogene Synthese in Leber
  • Calcitriol (1,25-Dihydroxylcholecalciferol, 1,25-(OH)2-D3) – endogene Synthese in Niere; hormonelle Wirkform [2, 3, 5, 6, 10, 11]

Strukturell enthalten Vitamin D2 und Dwie alle Steroide das typische Ringsystem von Cholesterol (A, B, C, D), wobei der B-Ring aufgebrochen ist [3, 11].

Vitamin D-Mengen werden in Gewichtseinheiten angegeben:

  • 1 Internationale Einheit (IE) entspricht 0,025 µg Vitamin D
  • 1 µg entspricht 40 IE Vitamin D [4, 11]

Synthese

Ausgangssubstanz für die endogene Synthese von Vitamin D3 in der Haut ist das 7-Dehydrocholesterol. Dieses Provitamin findet sich in der höchsten Konzentration im Stratum basale (Basalschicht) und Stratum spinosum (Stachelzellschicht) der Haut und geht in Darmmukosa (Darmschleimhaut) und Leber durch Einwirkung einer Dehydrogenase (wasserstoffabspaltendes Enzym) aus Cholesterol hervor [4, 10]. Letzteres kann wiederum endogen in Darmmukosa (Darmschleimhaut) und Leber synthetisiert und über Lebensmittel tierischen Ursprungs aufgenommen werden. Unter Einfluss von UV-B-Strahlung mit einer Wellenlänge zwischen 280-315 nm mit einem Wirkungsmaximum um 295 nm kommt es in einem ersten Schritt durch einephotochemische Reaktion zur Aufspaltung des B-Rings im Steran-Skelett, was zur Umwandlung von 7-Dehydrocholesterol in Prävitamin D3 führt. In einem zweiten Schritt wird Prävitamin Ddurch eine lichtunabhängige thermische Isomerisierung(Umwandlung des Moleküls in ein anderes Isomer) in Vitamin Dumgewandelt [2-4, 6, 11].

Vitamin D2 kann endogen aus Ergosterol synthetisiert werden. Ergosterol stammt ursprünglich aus dem pflanzlichen Organismus und gelangt durch den Verzehr pflanzlicher Lebensmittel in den menschlichen Körper. Analog zur endogenen Vitamin D3-Synthese wird Vitamin D2 in der Haut unter Einwirkung von UV-B-Licht durch einephotochemische Reaktion und anschließender lichtunabhängiger Thermoisomerisierung (Umwandlung des Moleküls in ein anderes Isomer unter Wärmeeinfluss) aus Ergosterol synthetisiert [1, 2, 4, 10, 11].

Mehr als 50 % des täglichen Vitamin D-Bedarfs wird aus der körpereigenen Produktion gedeckt [2, 4, 10, 11].
Eine Hypervitaminose ist durch eine lang andauernde Einwirkung von UV-B-Strahlung nicht möglich, da ab einer Prävitamin D3-Konzentration von 10-15 % des ursprünglichen Gehalts an 7-Dehydrocholesterol sowohl Prävitamin Dals auch Vitamin D3 zu inaktiven Isomeren umgesetzt werden [2, 7, 10].

Die Vitamin D-Syntheserate hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise von:

  • Jahreszeit
  • Wohnort (Breitengrad)
  • Ausmaß der Luftverunreinigung, Ozonbelastung in industriellen Ballungsgebieten
  • Aufenthalt im Freien
  • Nutzung von Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor (> 5)
  • Körperverhüllung aus religiösen Gründen
  • Hautfarbe und -pigmentierung
  • Hauterkrankungen, Verbrennungen
  • Alter [4, 10, 11]

Resorption

Wie alle fettlöslichen Vitamine wird auch Vitamin D im Rahmen der Fettverdauungim oberen Dünndarm resorbiert (aufgenommen), d.h. die Anwesenheit vonNahrungsfetten als Transportmittel der lipophilen (fettlöslichen) Moleküle undGallensäuren zur Solubilisierung (Erhöhung der Löslichkeit) und Micellenbildung (Bildung von Transportkügelchen, welche fettlösliche Substanzen in wässriger Lösung transportierbar machen) ist für eine optimale intestinale Aufnahme (Aufnahme über den Darm) notwendig.

Mit der Nahrung zugeführtes Vitamin D gelangt in den Dünndarm und wird als Bestandteil der gemischten Micellen in die Enterozyten (Zellen des Dünndarmepithels) über passive Diffusion aufgenommen. Die Resorption hängt stark von Art und Menge gleichzeitig zugeführter Fette ab. Intrazellulär (innerhalb der Zelle) erfolgt die Inkorporation (Aufnahme) des Vitamins D in Chylomikronen (fettreiche Lipoproteine), die Vitamin D über die Lymphe in den peripheren Blutkreislauf transportieren [1, 4, 7, 10, 11].

Bei intakter Leber-/Gallen-, Pankreas- (Bauchspeicheldrüsen-) und Dünndarmfunktion sowie ausreichender Zufuhr von Nahrungsfetten wird alimentär (mit der Nahrung) aufgenommenes Vitamin D zu etwa 80 % resorbiert [7].

Transport und Verteilung im Körper

Während des Transports zur Leber werden die Chylomikronen zu Chylomikronen-Remnants (fettarme Chylomikronen-Restpartikel) abgebaut und resorbiertes Vitamin D auf ein spezifisches Vitamin D-bindendes Protein (DBP) übertragen. In der Haut synthetisiertes Vitamin D wird in den Blutkreislauf abgegeben und ebenfalls an DBP gebunden zur Leber transportiert [2, 3, 6, 10, 11].
DBP geht sowohl mit Vitamin D2 und Vitamin D3 als auch mit hydroxyliertem (OH-Gruppen enthaltenem) Vitamin D eine Bindung ein [10]. Die Serumkonzentration von DBP ist etwa 20-fach höher als die der genannten Liganden (Bindungspartner). Es wird angenommen, dass unter normalen Bedingungen nur zwischen 3-5 % der Bindungskapazität von DBP abgesättigt sind [2].

Die Speicherung von Vitamin D3 erfolgt überwiegend in Fett und Muskulatur mit langer biologischer Halbwertszeit [7, 9, 10]. 

Biotransformation

In Leber und Niere wird Vitamin D3 durch zweifache Hydroxylierung (Einfügen von OH-Gruppen) zu Calcitriol (1,25-Dihydroxylcholecalciferol, 1,25-(OH)2-D3), dem metabolisch aktiven Vitamin D-Hormon, umgewandelt [6, 11].
Die erste Hydroxylierungsreaktion erfolgt in den Mitochondrien ("Energiekraftwerken") beziehungsweise Mikrosomen (kleinen membranbegrenzten Vesikeln) der Leber, zu einem geringen Teil auch in Niere und Darm, mittels der 25-Hydroxylase (ein Enzym), die Vitamin D3 in 25-Hydroxycholecalciferol (25-OH-D3, Calcidiol) überführt.

Die 1-alpha-Hydroxylase vermittelt den zweiten Hydroxylierungsschritt in den Mitochondrien des proximalen Nierentubulus (Nierenkanälchen). Dieses Enyzm wandelt 25-OH-D3, das gebunden an DBP von der Leber zur Niere gelangt, durch Einfügen einer weiteren OH-Gruppe in das biologisch aktive 1,25-(OH)2-D3 um, das an den Zielorganen, unter anderem Dünndarm, Knochen, Niere und Nebenschilddrüse, seine hormonelle Wirkung entfaltet. Geringe Aktivitäten der 1-alpha-Hydroxylase finden sich auch in anderen Geweben mit Vitamin D-Rezeptoren, die autokrine (abgegebene Hormone wirken auf die absondernde Zelle selbst) beziehungsweise parakrine Funktionen (abgegebene Hormone wirken auf Zellen der unmittelbaren Umgebung) besitzen, wie Colon, Prostata, Brust und Immunsystem [2-4, 6, 7, 10, 11].

In einem alternativen Hydroxylierungsschritt kann 25-OH-D3 in den Mitochondrien desproximalen Nierentubulus durch Einwirkung der 24-Hydroxylase in 24,25-(OH)2-D3überführt werden. Bislang galt diese Hydroxylierungsreaktion als Abbauschritt mit der Erzeugung unwirksamer Metaboliten (Zwischenprodukte). Inzwischen wird jedoch angenommen, dass 24,25-Dihydroxylcholecalciferol Funktionen im Knochenstoffwechsel übernimmt [2-4, 10, 11].

25-OH-Dist der überwiegende im Plasma zirkulierende Vitamin D-Metabolit und stellt den besten Indikator für den Versorgungsstatus mit Vitamin D3 dar [2, 3, 7, 10, 11].

Die Konzentration des zirkulierenden 1,25-(OH)2-Dwird durch den Plasmagehalt an Parathormon (PTH) und den Vitamin D- beziehungsweise Calciumspiegel fein reguliert. Hypercalcämie (erhöhter Calciumspiegel) und ein erhöhter Vitamin D-Spiegel fördern die Aktivität der 24-Hydroxylase, während die Aktivität der 1-alpha-Hydroxylase gehemmt wird. Hypocalcämie (erniedrigter Calciumspiegel) und Hypophosphatämie (erniedrigter Calcium-/Phosphatspiegel) führen hingegen zu einem Aktivitätsanstieg der 1-alpha-Hydroxylase über Stimulation der PTH-Produktion [1-3, 6, 7, 10].

Äquivalenz von Vitamin D2 und Vitamin D3

Die bisher etablierte Betrachtung von Äquivalenz und Austauschbarkeit von Vitamin D2und Vitamin D3 wurde durch neuere pharmakokinetische Studien widerlegt. Trang et al. konnten in ihrer Arbeit nach zweiwöchiger Einnahme von 4.000 IE Vitamin D2beziehungsweise Vitamin D3 bei der mit Vitamin Dsupplementierten Probandengruppe eine 1,7-Fach höhere Serumkonzentration an 25-OH-Dfeststellen [12].
Mastaglia et al. kamen zu dem Ergebnis, dass bei postmenopausalen, osteoporotischen Frauen in einer dreimonatigen Intervention viel höhere orale Vitamin D2-Dosen im Vergleich zur üblich empfohlenen täglichen Vitamin D3-Dosis von 800 IE nötig sind, um einen adäquaten Serumspiegel an 25-OH-Dzu erzielen [8].
Darüber hinaus wird vermutet, dass Vitamin D2-Metaboliten im Vergleich zu Vitamin D3eine geringere Bindung an das plasmatische Vitamin D-bindende Protein, einen nicht physiologischen Metabolismus und eine kürzere Halbwertszeit aufweisen [5, 10].

Aufgrund der Diskrepanz beider Vitamin D-Formen auf molarer Ebene kann Vitamin D
 2weder für eine Supplementation noch für eine Lebensmittelanreicherung empfohlen werden [5].

Ausscheidung

Vitamin D und seine Metaboliten werden überwiegend über die Galle und nur in geringem Umfang renal ausgeschieden [10].

Literatur

  1. Bässler K.-H., Golly I., Loew D., Pietrzik K. (2002) Vitamin-Lexikon für Ärzte, Apotheker und Ernährungswissenschaftler. 3. Auflage. Urban & Fischer, München
  2. Biesalski H. K., Köhrle J., Schümann K. (2002) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Prävention und Therapie mit Mikronährstoffen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart
  3. Biesalski H. K., Fürst P., Kasper H. et al. (2004) Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart
  4. Hahn A., Ströhle A., Wolters M. (2006) Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart
  5. Houghton L.A., Vieth R. (2006) The case against ergocalciferol (vitamin D2) as a vitamin supplement. Am J Clin Nutr; 84: 694-697
  6. Jones G., Strugnell S.A., DeLuca H.F. (1998) Current understanding of the molecular actions of vitamin D. Physiol Rev; 78: 1193-1231    
  7. Kasper H. (2004) Ernährungsmedizin und Diätetik. 10. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München
  8. Mastaglia S.R., Mautalen C.A., Parisi M.S., Oliveri B. (2006) Vitamin Ddose required to rapidly increase 25OHD levels in osteoporotic women. Eur J Clin Nutr; 60: 681-687
  9. Norman A.W. (2001) Chapter 13. Vitamin D. In: Present knowledge in nutrition. 8. Edition. Bowman B.A., Russell R.M. (Eds.) ILSI Press, Washington DC, 146-155
  10. Pietrzik K., Golly I., Loew D. (2008) Handbuch Vitamine. Für Prophylaxe, Beratung und Therapie. Urban & Fischer Verlag, München
  11. Schmidt E. und Schmidt N. (2004) Leitfaden Mikronährstoffe. Orthomolekulare Prävention und Therapie. 1. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München
  12. Trang H., Cole D.E., Rubin L.A. et al (1998) Evidence that vitamin Dincreases serum 25-hydroxyvitamin D more efficiently than does vitamin D2. Am J Clin Nutr; 68: 854-858